Route: Wanderung von Noss Mayo nach Bigbury-on-Sea
Entfernung: 21,2 km, Aufwärts 675 m, Abwärts 728 m
Übernachtung: Summer Winds, Bigbury-on-Sea


Viele Ups and Downs und eine kühle Flussüberquerung

Heute war ein Tag, von dem wir schon im Vorfeld viel gehört haben. Angefangen von weisen Ratschlägen „Ihr solltet gut frühstücken“, über Gesundheitstipps „Die Wassertemperatur ist gut für die Blutzirkulation eurer Beine“ bis hin zu Warnungen „Die ersten 2 Stunden sind leicht, danach wird es wirklich, wirklich streng“ und ähnlichen Äusserungen, war fast alles dabei. Wir sind nicht besonders leichtgläubig und ausserdem waren wir uns nicht sicher, wie sportlich uns der sehr attraktive 23-jährige Sohn unserer Herbergsmutter einschätzt. (Dass er sehr gut aussehend war tut eigentlich nichts zur Sache, aber ich wollte es nicht unerwähnt lassen.) Anyway, wir waren auf fast alles vorbereitet, als wir wie gewöhnlich um 8 Uhr zum Frühstück gingen. Nach dem Frühstück unsere Sachen gepackt – alles wie immer. Um kurz nach 9 Uhr gingen wir los.

Eigentlich war der Plan, dass wir diese grosse Landzunge westlich von uns aussparen und statt in die Runde zu laufen, direkt auf dem kürzesten Weg auf den South West Coast Path gelangen. Jackie, unsere überaus nette Herbergsmutter, sah das jedoch ganz anders als wir. Diese Landzunge sei der wohl „schönste Teil des ganzen Strecke“, den wir auf jeden Fall erlaufen müssen. Also ging sie mit uns über einige Felder und Koppeln um uns auf diesen „wunderschönen“ Umweg zu bringen. Ok, wir müssen zugeben, es war wirklich sehr schön dort. Möglicherweise wäre unser Fortleben aber auch ohne diese Schönheit der Natur, gesichert gewesen. Nach knapp einer halben Stunde waren wir auch schon auf dem von uns angedachten Weg. Das Wetter war prima, der Weg entlang der Küste sehr schön. Praktisch keine Steigungen, immer nur geradeaus, Schafe und ihre Hinterlassenschaften begleiteten uns die ganze Zeit.

Nach knapp 2 Stunden entspannten Laufens, änderte sich die Wegbeschaffenheit. Statt einem schön ebenen Weg, auf dem man nur der Schafsch****** auszuweichen hatte, befanden wir uns nun auf Koppeln und Weiden. Der Weg war meistens abschüssig und wenn er es mal nicht war, ging es aufwärts oder abwärts. Einige Hänge erinnerten an „schwarze Pisten“ und dass Katarina sich ihre Ski herbeiwünschte, konnte ich nachvollziehen. Auf Ski wäre das eine tolle Abfahrt gewesen, stolpernd über die Wiesen, eher nicht. Wir liefen bergauf und bergab, die ganze Zeit. Es war wirklich anstrengend und während ich so den Berge erklomm, erschien mir immer wieder meine Yogalehrerin Gaby vor meinen geistigen Auge, wie sie mir zurief „Atme!“. Was soll ich sagen? Es half. Es lief gut.

Gegen 12.30 Uhr machten wir unsere Mittagspause. Die Sonne schien, eine Bank gab es leider nicht, dafür aber ein Gatter mit einer Treppe auf beiden Seiten, für die Wanderer. Auf der einen Seite sass ich, auf der anderen Katarina. Ein toller Platz. Die Idylle unseres Mittagsmahles wurde erst durch die nächsten Wanderer gestört. Die wollten doch tatsächlich über den Zaun. Es half ja nichts, wir mussten sowieso weiter. Wir hatten einen exakten Zeitplan: um 13.45 Uhr war Niedrigwasser am River Erme.

Den Fluss erreichten wir nach 14 Kilometern, gegen 13.30 Uhr. Also absolut in der Zeit. Diesen Fluss mussten wir überqueren – zu Fuss. Es gab noch zwei andere Wanderer mit diesem Vorhaben. Super, so konnten wir uns direkt anschauen, welchen Weg man nehmen muss. Blöd war, dass die beiden Wanderer zwei unterschiedliche Wege nahmen. Der eine kannte sich wohl gut aus. Er gab uns wertvolle Tipps „Geht hier rüber, dann kürzt ihr ab“ und „Besser seitwärts durch den Fluss, mit Blickrichtung zum Fluss und nicht zur Mündung“. Aha! Nein, das hat uns überhaupt nicht abgeschreckt…. Wir haben unsere Keen Sandalen (hochseetauglich) angezogen, unsere Wanderschuhe an den Rücksäcken befestigt und marschierten Richtung Wasser. Wir entschieden uns trotz der guten Tipps, für einen anderen Weg. Der Mann verschwand wirklich bis zu den Knien im Wasser und Katarina befürchtete, ihr würde das Wasser dann bis zum Hals gehen. (Ok, das stimmt so nicht ganz, aber klingt witzig). Wir entschieden uns, ein Stück Flussaufwärts unser Glück zu versuchen. Dort schien der Fluss etwas schmaler zu sein.

Das Wasser war kalt! Echt kalt. Die Sache mit der durchblutungsfördernden Wirkung war nicht gelogen. Das Wasser war so kalt, dass einem die Kälte bis in die Knochen zog. Ausserdem war es etwas rutschig im Wasser und auch die Strömung war stellenweise nicht unerheblich. Katarina ging vor. Erstens bin ich deutlich schissiger und zweitens ist sie kleiner als ich. Wo sie durchkam, konnte ich es auch schaffen. Als wir auf der anderen Seite waren (nach ca. 3 Minuten!!!), waren wir topfit – und stolz. Wir hatten zwar nicht gerade einen reissenden Fluss durchquert, aber trotzdem erfüllte uns sowas wie Stolz. Die Kälte hat uns richtig wiederbelebt. Wir waren frisch und fit. Fit für die nächsten Kilometer, die uns zu unserem Ziel „Bigbury-on-Sea“ führen sollte. Diese Frische hatten wir bitter nötig, denn was da auf uns zukam, war schlimmer als das bisher Dagewesene.

Die Idylle fand ein jähes Ende. Es ging bergab. Steil bergab und wir wussten, wo es runter geht, geht es auch wieder rauf. Und genau das tat es dann auch. Steiler als bisher – und länger. Die Beine schmerzten nach jedem Schritt und hier half auch das verdammte Atmen nicht mehr. Es tat weh. Richtig weh, die Muskeln waren drauf und dran ihren Dienst zu quittieren. Welcome to hikers hell! Von diesen netten „Hügeln“ erwarteten uns leider drei, bevor wir unseren Zielort erreichten. Mit brennenden Beinen kamen wir um 16.45 Uhr an unserem B&B „Summer Winds“ an. Glücklich, es geschafft zu haben. Der nächste Schock liess nicht lange auf sich warten. Unser Gepäck. Wo zum Teufel war unser Gepäck? Zum Glück wurde es sehr schnell in dem Haus gefunden. Wir waren platt und reif für die Dusche.

Jetzt sitzen wir in einem netten Cafe, essen kulinarische, britische Köstlichkeiten und verwöhnen unsere Gaumen mit Alkohol. Das haben wir uns verdient. Morgen ist ein neuer Tag. Das Wetter voraussichtlich schäbig und die Strecke ähnlich wie die heutige.

Noch ein Bier und dann wie ein Stein ins Bett!

Gute Nacht und liebe Grüsse

Katarina und Anja

6. Mai 2015 < > 8. Mai 2015